Extremsport als Teamwork
Wie Sie und Ihre Mitarbeiter über sich hinauswachsen und Grenzen überwinden.
Her mit den Abenteuern
Alles wird komplexer. In wechselseitigen Abhängigkeiten und Verflechtungen werden innovative Weiterentwicklungen zunehmend durch die Qualität von erfolgreicher Teamarbeit bestimmt. Es ist eine globalisierte und digitalisierte Welt entstanden, in der alles miteinander vernetzt und voneinander abhängig ist. Für die Gestaltung unseres Zusammenlebens in dieser komplexen Lebenswelt eignen sich die alten, tradierten, hierarchischen Ordnungsstrukturen längst nicht mehr. Es muss etwas Neues her: Neues Denken, neues Handeln und neue Impulse.
Woher sollen diese Impulse kommen? Ein Großteil der Menschen unserer Wohlstandswelt sind Gefangene einer „künstlichen Realität“ und falscher Wichtigkeiten. Sie zittern unter Examensnöten, haben Jobängste und fürchten Konkurrenz, weil sie nie wirkliche Abenteuer und Herausforderungen erlebt und bestanden haben.
Für mich ist es ein gelebter Traum, stets einen Schritt weiter zu gehen. Dieser Traum hält mich wach. Wenn Sie über sich hinauswachsen und Grenzen überschreiten wollen, dann geht das am wirksamsten in einem aktiven, gruppendynamischen Selbsterfahrungs- und Selbstlern-Prozess in einem angstfreien Raum des offenen Werdens. Mit anderen Worten: Sie müssen Ihre Komfortzone verlassen und das Unbekannte betreten, wenn Sie über sich hinauswachsen und Grenzen ausloten möchten. Am besten im und mit einem Team. Hier sind wir beim Thema, wann und wie Teams, Gruppen und Organisationen überdurchschnittliche Performance abliefern.
Springen Sie vom Sofa
Was müssen Sie als Erstes tun? Sammeln Sie Erfahrungen! Sind Sie mit Ihrem Team schon einmal weit über körperliche und psychische Grenzen hinaus gegangen? Diese Frage meine ich sowohl beruflich als auch privat, denn Grenz-Erfahrungen sind unabhängig davon sehr wichtig für Ihr Business. Ich nenne Ihnen eine, um danach auf wichtige Wesensmerkmale für eine erfolgreiche Team-Performance zu kommen.
5.000 Kilometer durch die Fototapete
Für Grenzerfahrungen ist es nie zu spät. Mit zarten 56 Jahre nahm ich eine ganz besondere Team-Mitgliedschaft an. Wir schreiben das Jahr 2009. Ich wurde stolzes Mitglied eines 4er Radrenn-Teams um den international bekannten Extremsportler Hubert Schwarz. Die Herausforderung: Wir wollten als Team daslängste Zeitfahren der Welt, das Race Across America (RAAM) schaffen. Der Rennverlauf erstreckte sich über 5.000 Kilometer einschließlich 50.000 Höhenmetern. Das Rennen sollte auf öffentlichen Straßen bei vollem Verkehr stattfinden. Ländliche Radwege gibt es in den USA ohnehin so gut wie gar nicht.
Wir starteten in Oceanside, unter der längsten Seebrücke in Kalifornien. Unser Ziel war Annapolis, Maryland, das Segel-Mekka der US-amerikanischen Ostküste. Somit ging es durch 12 Bundesstaaten und drei Klimazonen. Die Route überquerte die drei größten Bergketten der USA: die Sierra Nevada, die Rocky Mountains und die Appalachen. Sie kreuzte vier der längsten Flüsse des Kontinents: den Colorado, den Mississippi,den Missouri und den Ohio. Die Route war nicht nur extrem sondern auch wunderschön: Sie führte durch die ikonischen amerikanischen Sehenswürdigkeiten wie die Mojave- und Sonora-Wüste, das Monument Valley, die Great Plains und den Bürgerkriegsschauplatz in Gettysburg.
Gewertet wurde die Gesamtzeit vom Start bis in das Ziel inklusive aller verkehrsbedingten Stopps und Schlafpausen. Es war ein durchgehendes Rennen, genau genommen ein ununterbrochenes Einzelzeitfahren vom Start bis ins Ziel. Wir fuhren Tag und Nacht. Eine Expertenkommission wählte diese Veranstaltung 1999 im „Qutride Magazin“ zum längsten und mit großem Abstand härtesten Ultra-Ausdauerwettbewerb in der Welt. Radprofis selbst nennen es das ultimative Rennen der Wahrheit. Es gibt kein anderes Radsportereignis, das Körper, Geist und Seele eines Teams von Anfang bis zu Ende derartig herausfordert.
Mit großem Teamgeist schafften wir diese extreme Herausforderung. Dank unseres großartigen Teamworks überquerte ich nach acht Tagen, 13 Stunden und 15 Minuten Gesamtzeit die Ziellinie.
Was habe ich bei diesem Rennen gelernt?
Großes aus der Zahnpastatube?
Das ist mir bei meinem Fahrradabenteuer klarer geworden: Wenn Sie viel (äußeren) Druck auf Ihre Mitarbeiter ausüben, kommt auf lange Sicht weniger Leistung dabei heraus. Menschen sind keine Zahnpastatuben.
Nur, wenn alle im Team mit viel Leidenschaft gemeinsame, große Ziele anstreben, kann Großes erreicht werden. Je kleiner das Ziel, der Traum oder die Vision ist, umso schneller endet der Erfolg. Deshalb verfolgen Sie besser ein Ziel, das allen im Team sehr am Herzen liegt. Die Briten nennen das „Purpose“. Im Deutschen spricht man von „Zweck“ oder auch „Anliegen“. Dieses Wort beschreibt, was einem Team besonders wichtig ist und worum es geht: das, was das Team nicht nur kognitiv, sondern auch emotional leitet. Somit werden alle Schritte dorthin im Team als erfüllend und beglückend empfunden. Warum? Weil sie dazu beitragen, ein gemeinsames Anliegen zu verwirklichen und das mit viel Spaß an der Sache.
Ihr Mercuri Puzzle
Das führt im Gehirn dazu, das sich dort alles wie in einem Puzzle zusammenfügt. Es wird kohärenter. Wie im Gehirn sollte es also in einer Gemeinschaft (Familie, Team, Gruppe, als Unternehmen, als Partei, etc.) etwas geben, das dieses gesamte Gefüge zusammenhält. Deshalb ist dem Gehirn eine weitere Aufgabe zugewachsen: Es kann unser Überleben nur sichern, indem es immer wieder über sich hinauswächst und Grenzen überschreitet. Das funktioniert nicht mit Status Quo-Denken und einem niedrigen Energie-Niveau.
Auf Ihrem Weg zum Über-sich-hinauswachsen und Grenzen überschreiten wird „Arbeit“ zur „Erfüllung“ (Leidenschaft). Das, was wir „Produktivität und Effizienz“ nennen und wofür wir fünf Tage pro Woche mehr als acht lange ermüdende Stunden arbeiten, ist mit einem weit höheren Energie- und Zufriedenheitslevel in wenigen Stunden täglich zu erreichen. Dazu müssen wir unsere Denk-, Verhaltens- und Glaubens- Muster ändern. Wenn wir alle unsere wichtigsten Denk-Verhaltens- und Glaubens- Muster auflösen würden, sei es im Privatleben, im Beruf, im Unternehmen oder bei politischen Entscheidungsprozessen, würde daraus ein Quantensprung an Wohlstand und Fülle in unserer Gesellschaft resultieren, der seinesgleichen sucht.
“Wir haben nicht gelernt, schwierige Probleme (Herausforderungen) im Geschäftsleben zu lösen. Was wir gelernt haben ist, sie zu vermeiden.“
Satteln Sie die Rennräder
Salopp ausgedrückt: Dieser Quantensprung ist machbar – auch für Ihr Team. Schon aus rein wirtschaftlichen Gesichtspunkten sind Sie dazu gezwungen, eine innere Ordnung zu entwickeln und jegliche Interaktionen in Ihrem Unternehmen so zu organisieren, das der zur Aufrechterhaltung des Ganzen erforderliche Energieverbrauch so gering wie möglich bleibt. Gelingt das nicht, so ist dieses System erschöpft und geht zugrunde. Die wissenschaftliche Bezeichnung für diesen Zustand, den nicht nur unser Gehirn, sondern sogar alle lebenden Systeme, also jede einzelne Zelle, jedes Ökosystem und jede menschliche Gemeinschaft anstrebt, lautet: Kohärenz (gemeinsames Wollen).
Kohärenz ist ein Zustand, in dem alles möglichst gut und reibungslos zusammenpasst. Dann ist der zur Aufrechterhaltung der inneren Ordnung des betreffenden Systems erforderliche Energieaufwand am effektivsten. Das alles kann sich nur von „unten“ entwickeln; mit dem zentralen Anliegen jedes Gruppenmitglieds, das eigenen Potenzial zu entfalten, über sich selbst hinaus zu wachsen und Grenzen zu überschreiten. Ähnlich wie beim RAAM. Was heißt das für Ihr Team? Sie können schon mal die Rennräder satteln.
Das A-Team
Das heißt auch, wir formen ein High Performance-Team (Dream-Team), das mutig in die Zukunft blickt. Es ist zutiefst dankbar, was es zum gemeinsamen Erfolg eines Unternehmens (einer Organisation, einer Partei) hervorgebracht und erschaffen hat. Im Team ist bei komplexen Herausforderungen jedes Mitglied gleichermaßen angesprochen. Nicht das Ego jedes Einzelnen, sondern die Sache, also die jeweilige Herausforderung beziehungsweise das Projekt, steht im Mittelpunkt. Das ist der angenehme Nebeneffekt, wenn es kein „Überstellungsverhältnis“ gibt und die Auswahl der Gruppenmitglieder ebenso nach Intuition statt nur nach Qualifikation erfolgt. Warum? Dadurch erreiche ich die Erhaltung der Einzigartigkeit jedes Teammitglieds. Alle bleiben verschieden und bereichern damit die kreativen Möglichkeiten im Team. Allen Mitgliedern gemeinsam ist ihr schlummerndes Potential zu entfalten, um Höchstleistungen ohne mentalen, körperlichen und seelischen Raubbau anzustreben.
Die jeweiligen Führungsrollen bilden sich ganz natürlich, fast organisch, heraus. Selbst bei flachen Hierarchien kristallisieren sich in Gruppen immer Macher und Mitmacher/innen heraus. Schief geht es nur dann, wenn Posten von oben „vergeben“ und Mitarbeiter/innen „vorgesetzt“ werden, anstatt sie innerhalb der Gruppe in eine Führungsrolle langsam hinein finden zu lassen. Man nennt diese Vorgehensweise auch co-individualisierten Prozess. Er ist tragend für Ihr High Performance-Team auf dem Weg zum gelben Trikot.
Der ewige Gärtner
Was ist das Geheimnis eines Teams, das etwas Großes gemeinsam schafft, woran dessen Mitglieder ein Jahr zuvor nicht geglaubt haben und was ihnen „Außenstehende“ niemals zugetraut hätten? Ich empfehle Ihnen, mal beim RAAM mitzufahren. Aber das müssen Sie nicht! Wichtig ist die Erfahrung im und mit Ihrem Team. „Extreme“ Team-Erlebnisse schaffen ein besonderes Zusammengehörigkeitsgefühl. Teams wachsen am besten organisch und mit großer Motivation, ein gemeinsames Ziel umzusetzen, das alle Mitglieder erfüllt.
Das alles lässt sich mit theoretischen Überlegungen nicht erklären. Um einen großartigen Teamprozess zu verstehen, der eine außergewöhnliche Leistung einer Gemeinschaft möglich macht, muss man selbst dabei gewesen sein. Also machen Sie Ihre Erfahrung, bringen Sie diese in Ihr Unternehmen ein und formen Sie Ihr Team beziehungsweise Ihre Teams wie ein Gärtner, der das Blumenbeet hegt und pflegt.
Angekommen in Annapolis
Mit Hilfe dieser fünf Punkte habe ich das Race Across America gemeistert:
- Wer keinen Traum (Vision, Sehnsucht, Ziel) hat, kann nicht an dessen Realisierung wachsen.
- Wer sich nicht an dem erfreut oder begeistert, was er/sie tut, und was er/sie bewegt, kann sich nicht weiterentwickeln.
- Vertrauen und Freiheit sind die Führungselemente; ein Anstoß zur Selbstführung.
- Alle tiefgreifenden Veränderungen beginnen mit dem Mut, sich vorzustellen, das es auch anders (besser !) geht. Auch Sie sind zu dieser Gedankenleistung in der Lage. Sie können sich etwas vorstellen, etwas imaginieren; also eine Idee von etwas entwickeln, das es noch gar nicht gibt. Sobald andere Personen die gleiche Idee (Vision) in sich tragen und sich gemeinsam auf den Weg begeben, um ihn zu verwirklichen, wird das zur Realität, was zu Anfang einer nur zu träumen gewagt hat.
- Großer Erfolg (innerer und äußerer Reichtum) lässt sich nicht erzwingen. Er ereignet sich einfach, wenn sich alles gut zusammenfügt.
I have a dream
Das RAMM ist inzwischen zu einer globalen Legende geworden. Dieses Rennen gilt als Höhepunkt der sportlichen Leistung, nicht nur in Radsport-Kreisen, sondern der gesamten Höchstleistungssport-Szene.
Gleichzeitig beginnen immer mehr Menschen zu ahnen, welche Kraft und wie viel Potential sie zu entfalten imstande sind. Das zeigt sich, wenn sich Teams gemeinsam auf den Weg begeben, um etwas zu verwirklichen, was Einzelne nicht schaffen und allen gleichermaßen am Herzen liegt. Das ist das Geheimnis der High Performance Teams und so etwas wünsche ich Ihrem Unternehmen!
Viel Inspiration und Energie!
Herzlichst
Eberhard Wagemann
7 Kommentare
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Hallo Eberhard ,
ich habe Dich kennen – und schätzen gelernt , vieles über Dich erfahren und bemerkt dass Du zu vielem imstande bist …
Von dem Trip mit dem Fahrrad quer durch America wusste ich nichts .
Wahnsinn was ein gemeinsames Team und der damit verbundene Spirit imstande ist zu leisten , Gratulation hierzu !
Viele Grüße
Steffen
Gute Mitarbeiterführung ist das A und O im Betrieb, da gebe ich Ihnen absolut Recht. Man muss erstmal wissen, wo man ansetzt und das zeigt der Artikel gut auf. Besonders der Vergleich mit dem Extremsport hat mir gut gefallen.
Weiter so!
Matthias Beinke
Hut ab! Ist schon eine große Leistung, quer durch die USA zu radeln. Spannend, wie Sie das in Verbindung mit Führungsqualitäten bringen!
MfG
Ihr Helmut Lange
Hallo Herr Wagemann,
ein sehr interessanter Beitrag, lebendig geschrieben. Gefällt mir sehr gut.
MfG
Prof. Eike Gebhardt
Hallo Herr Wagemann,
Hut ab, Sie haben beachtliches geleistet und mit Ihrem Team eine tolle Erfahrung gemacht. Da wird einem erst bewusst, was man zusammen mit anderen tolles auf die Beine stellen kann, wenn jeder bereit ist, an seine Grenzen zu gehen und Leistung abzurufen.
Bis zum nächsten Workshop
Ihr Waldemar
Ein toller Artikel. Er hat mich sehr motiviert und mir einige Ideen für meine Firma gegeben. Teamarbeit ist immens wichtig. Vielen Dank dafür.
Ihr
Pierre Dancourt
Eine beachtliche Leistung, lieber Eberhard! Wenn ein Team gemeinsam eine solche Hochleistung meistert, spricht das für sich. Die Herzen und Seelen des Teams beginnen im Optimalfall kohärent zusammen zu schwingen. In diesem Fall wird aus Mühe Leichtigkeit. Ich hatte eine ähnliche Erfahrung als ich ein Team für das härteste Extremrennen in Deutschland (Getting Tough) coachte. Ein Rennen indem über 40% der Menschen nicht ankommen. Auch bei uns sind alle angekommen. Jeder übernahm schon in der Vorbereitungszeit ganz von alleine seine Arbeit. Es ist Wahnsinn was in Gruppen steckt, wenn sich jeder Entfalten darf. Danke für den Beitrag. Friederike Feil